Deeskalation
Wie gehe ich mit Beleidigungen, Bedrohungen und körperlichen Übergriffen durch Klient*innen um?
Bei Beleidigungen, Bedrohungen und körperlichen Übergriffen durch Klienten in der Eingliederungshilfe ist ein methodischer und deeskalierender Ansatz in der Regel zielführender als disziplinarische Maßnahmen. Hier einige wichtige Aspekte für den Umgang mit solchen Situationen:
Prävention und Deeskalation
Entwickelt ein systematisches Vorgehen im Team für den Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen.
Schult Euch und Eure Kolleg*innen in Deeskalationstechniken und gewaltfreier Kommunikation.
Reflektiert Euer eigenes Verhalten und Eure Körpersprache, da diese die Situation beeinflussen können.
Unmittelbare Reaktion
Bewahrt Ruhe und reagiert nicht emotional auf Provokationen.
Sprecht die Klient*in ruhig und respektvoll an, hört aktiv zu und versucht, das zugrundeliegende Problem zu identifizieren.
Bietet Alternativen und Lösungsmöglichkeiten an, um die Situation zu entschärfen.
Nachbereitung und langfristige Strategien
Analysiert den Vorfall im Team und entwickeln individuelle Handlungsstrategien für die betreffende Klient*in.
Arbeitet an einer vertrauensvollen Beziehung zur Klient*in, um zukünftige Eskalationen zu vermeiden.
Fördert die Selbstregulationsfähigkeiten und sozialen Kompetenzen der Klient*in durch gezielte Interventionen.
Strukturelle Maßnahmen
Implementiert ein Gewaltschutzkonzept in Eurer Einrichtung.
Sorgt für regelmäßige Supervision und kollegialen Austausch im Team.
Passt bei Bedarf die Rahmenbedingungen an, um Stressfaktoren für die Klient*innen zu reduzieren.
Bedenkt stets, dass herausforderndes Verhalten oft Ausdruck einer Notlage oder eines unerfüllten Bedürfnisses ist. Eine professionelle, empathische und lösungsorientierte Herangehensweise ist daher der Schlüssel zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation.
Sind disziplinarische Maßnahmen nicht super wichtig?
Disziplinarische Maßnahmen sollten nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn alle anderen Ansätze ausgeschöpft sind und eine akute Gefährdung besteht. Es ist ein sensibles Thema, das sorgfältig abgewogen werden muss. Der Fokus sollte auf Verständnis, Unterstützung und der Entwicklung positiver Verhaltensalternativen liegen.
Grundsätzlich gilt:
Grenzen und Regeln sind wichtig
Klare Grenzen und Regeln sind in der Eingliederungshilfe durchaus wichtig, um:
Ein respektvolles Miteinander zu ermöglichen
Die Rechte aller Beteiligten zu schützen
Einen strukturierten und sicheren Rahmen zu bieten
Aber: Vorsicht bei disziplinarischen Maßnahmen
Disziplinarische Maßnahmen im engeren Sinne sind in der Eingliederungshilfe jedoch sehr kritisch zu sehen:
Sie können das Vertrauensverhältnis zwischen Betreuern und Betreuten belasten
Sie widersprechen dem Grundgedanken der Selbstbestimmung und Teilhabe
Sie können als Machtmissbrauch wahrgenommen werden
Alternativen zu Disziplinarmaßnahmen
Stattdessen sollten folgende Ansätze verfolgt werden:
Klare, verständliche Regeln gemeinsam mit den Betreuten erarbeiten
Konsequenzen für Regelverstöße im Vorfeld transparent machen
Bei Regelverstößen das Gespräch suchen und Hintergründe erfragen
Positive Verstärkung erwünschten Verhaltens
Individuelle Unterstützung bei Schwierigkeiten anbieten
Wichtige Aspekte bei Grenzsetzungen
Wenn Grenzen gesetzt werden müssen, ist Folgendes zu beachten:
Maßnahmen müssen verhältnismäßig und nachvollziehbar sein
Die Würde des Betreuten muss stets gewahrt bleiben
Körperliche Übergriffe oder Freiheitsentzug sind tabu
Maßnahmen dürfen nicht willkürlich sein, sondern müssen einem klaren Konzept folgen
Die Schwerbehindertenvertretung ist bei Maßnahmen einzubeziehen.
Erwägung rechtlicher Schritte gegen die Klient*in
Es ist wichtig zu betonen, dass rechtliche Schritte in der Regel als letztes Mittel betrachtet werden sollten, besonders in therapeutischen oder betreuenden Beziehungen. Vor der Einleitung rechtlicher Schritte sollten in der Regel folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Dokumentation aller Vorfälle
Gespräche zur Konfliktlösung unter Einbeziehung von Vorgesetzten oder neutralen Dritten zur Mediation
Überprüfung und ggf. Anpassung des Betreuungskonzepts
Die Entscheidung für rechtliche Schritte sollte immer unter Berücksichtigung des Einzelfalls, der Schwere der Situation und der möglichen Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung und den Genesungsprozess der Klientin getroffen werden. Zudem sollte stets professionelle rechtliche Beratung eingeholt werden, bevor konkrete Schritte eingeleitet werden.
Besonderheiten bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen und psychotischen Erkrankungen
Grenzsetzungen spielen sowohl bei der Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen als auch bei psychotischen Erkrankungen eine wichtige therapeutische Rolle, wobei es einige Unterschiede im Umgang gibt.
Bei Borderline-Patienten sind klare Grenzen besonders wichtig, um Orientierung zu bieten und impulsives Verhalten einzudämmen. Die Grenzsetzung sollte hier konsistent und vorhersehbar sein, aber auch mit Wertschätzung kommuniziert werden. Bei Psychotikern hingegen erfordert die Grenzsetzung oft mehr Flexibilität und ein besonders sensibles Vorgehen, da die Realitätswahrnehmung der Betroffenen beeinträchtigt sein kann.
In beiden Fällen ist es entscheidend, dass das therapeutische Team einheitlich vorgeht und die Grenzen als Teil des Behandlungskonzepts versteht. Sowohl bei Borderlinern als auch bei Psychotikern können Grenzsetzungen helfen, ein sicheres Umfeld zu schaffen und die Therapie zu strukturieren, wobei die konkrete Umsetzung an die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der jeweiligen Störung angepasst werden muss.
Fazit
Statt disziplinarischer Maßnahmen sollten in der Eingliederungshilfe sozialarbeiterische Konzepte im Vordergrund stehen, die auf Verständnis, Unterstützung und Förderung der Selbstständigkeit setzen. Nur so kann das Ziel eines selbstbestimmten Lebens erreicht werden.